Vom ohnmächtig fühlen

Es gibt da so eine Stille in manchen Menschen,

die mehr ein Stummsein ist.

Da ist manchmal Etwas in ihnen, das sehr lange schon nichts mehr gesagt hat.

Es ist einfach nur noch da, schweigt und schaut wie versteinert in die Welt. Dabei war es eigentlich mal sehr lebendig.

Ab und zu bricht seine Totenstille aus jemandem heraus mit einem Schrei, der die Kraft hat, alles durcheinander zu bringen und es auch tut.

Doch dann verstummt der Schrei wieder wie versteinert hinein in die Normalität eines Alltags, der mächtiger erscheint.

Ohnmacht.

Wenn uns niemand anspricht, niemand sieht, niemand bei uns ist oder hören will, verschwinden wir immer weiter bis wir vergessen, dass wir jemals eine Stimme hatten, die etwas ändern könnte. Wir vergessen was wir gebraucht hätten. Wir vergessen uns selbst.

Wenn wir uns aber vergessen haben, dann gibt es uns nicht mehr.

Dann gibt es nur noch Stille…

und das was die anderen sagen.


Dieser kleine Text handelt von einem Gefühl tiefen Leidens, welches mit dem Erleben eines übergroßen Mangels oder einer übergroßen Bedrohung einher geht: Es geht um Ohnmacht. Ohnmacht meldet sich immer dann, wenn unser Autonomes Nervensystem Etwas wahrnimmt, von dem es ausgeht, dass es für uns in diesem Moment nicht bewältigbar ist.

Das kann der Gedanke an eine bevorstehende Prüfung oder ein Treffen mit einem unliebsamen Menschen sein. Es kann die Nachricht einer Krankheit sein oder des Todes einer nahen Menschen. Es kann das immer wieder nicht gesehen und gehört werden sein, das wir in öffentlichen Einrichtungen oder vielleicht sogar in der Familie erleben. Es kann aber auch das Gefühl der Wut sein, das uns einfach überwältigt und mit dem wir noch nicht wissen richtig umzugehen. Es gibt viele Auslöser für Ohnmacht, aber nur einen Zweck, den sie erfüllt.

Ohnmacht will uns schützen, aber wie macht sie das? Es ist eigentlich ganz einfach:

Wir frieren ein. Wir erstarren. Wir geben das Kämpfen und Fliehen auf, denn es würde nichts bringen.

Diese Schutzreaktion hat die Natur entwickelt um kurzzeitige höchstbelastende Gefahrensituationen zu überstehen. Denn der Vorteil eines solchen Zustands ist: man wird kleiner, wird weniger wahrgenommen, ist weniger interessant für Angreifer und damit keine so attraktive Beute mehr.

Mit dem „Eifrieren“ des Nervensystems geht auch ein Verstummen einher. Wir können weder klar denken noch uns normal ausdrücken. Unser Inneres ist im äußersten Alarmzustand und schneidet uns ab von unangenehmen Gefühlen und betäubt unserer inneren wie äußeren Sinne.

Daran ist insgesamt nichts falsch und auch nichts krank. Es handelt sich hier um einen natürlichen Schutzinstinkt unseres Körpers, den wir mit so gut wie allen Tieren auf diesem Planeten teilen.

Die Neuroampel zeigt Dir die 3 Grundzustände Deines Nervensystems. Ohnmacht ist nur einer davon.

Es ist nicht Teil Deiner Persönlichkeit – es ist Stress.

Doch was ist, wenn dieses Einfrieren und Erstarren schon so früh im Leben begonnen hat, dass es zur Normalität geworden ist? Was ist, wenn die Ohnmacht bereits in Kindertagen so groß war für Dein Nervensystem, dass es einfach gar nicht mehr hinausgefunden hat und sich damit abgefunden hat in manchen Situationen nur noch im Funktionsmodus irgendwie durchzukommen? In solchen Fällen kann es sein, dass die Ohnmacht dann zur Identität wird und alles was mit dem Notprogramm des Nervensystems zusammen hängt, fälschlicherweise als „Persönlichkeit“ missverstanden wird.

Das sind dann vielleicht die stummen, stillen, zurückgezogenen oder auch braven Kinder, die keine „Probleme“ machen, aber auf der anderen Seite auch nicht wissen wer sie wirklich sind. Das sind die, die Angst haben sich zu zeigen oder vor anderen zu sprechen, weil sie zu oft erlebt haben, dass es eh keinen interessiert oder weil ihnen zu oft ins Wort gefallen wurde. Und wenn sie dann später im Leben doch mal in eine Situation kommen, wo es um sie geht oder wo sie Aufmerksamkeit bekommen, bringen sie plötzlich keinen Ton heraus, weil das Nervensystem in der Vergangenheit hängen geblieben ist. In ihrem Inneren wissen diese Menschen oft, dass sie eigentlich anders sind oder sein könnten. Sie wissen, dass MEHR in ihnen steckt und sie sehnen sich nach Lebendigkeit, doch der Körper hat noch nicht aus der Ohnmacht herausgefunden.

Vielleicht ließt Du das gerade und weißt genau was ich meine…

Was braucht es um aus der stillen, eingefrorenen Überforderung herauzufinden?

Was diese Menschen brauchen, ist erstmal Verständnis, Orientierung und Unterstützung dabei zu lernen wie sie sich selbst regulieren können.